Mit den Worten "uns fehlt ein Betriebssystem" hat Larry Ellison, Chef des Datenbankgiganten Oracle, am Montag Führungsanspruch auf dem Linux-Markt angemeldet. Der heftig kritisierte Linux-Weltmarktführer Red Hat stürzte prompt an der Börse ab.
Quasi nebenbei merkte Ellison an, dass man in den letzten Monaten überlegte, den zweitgrößten Linux-Distributor Novell [Suse Linux] aufzukaufen.
Zum Linux-Weltmarktführer Red Hat aber fand Ellison diese deutlichen Worte: "Ich glaube nicht, dass Oracle und IBM mit Red Hat ein zweites Microsoft wollen." Novell ist der zweitgrößte Linux-Distributor nach Red Hat.
Ellisons Äußerungen zeigten sofort Wirkung an der Börse, die Red-Hat-Aktie verfiel am Montag um mehr als sieben Prozent, die Papiere von Novell gewannen 2,5 Prozent dazu.
Konkurrenz zu Microsoft?
In dem Interview mit der "Financial Times" meinte Ellison zudem weiter, wie Microsoft ein komplettes Softwarepaket anbieten zu wollen. "Wir sehen uns alles an."
Bislang fehle dem Unternehmen ein eigenes Betriebssystem als Alternative zu Microsofts Windows. "Man könnte argumentieren, das es für uns sehr sinnvoll wäre, Linux zu vertreiben und Support dafür zu bieten", so Ellison weiter.
Einkauf um 19 Milliarden Dollar
Warum der Datenbank-Hersteller [13 Milliarden Dollar Umsatz 2005] plötzlich Begierde nach einem eigenen Betriebssystem entwickelt, erklärt die Einkaufspolitik.
Mit den Akquisitionen von Peoplesoft, Siebel Systems und mehreren kleineren Firmen hatte Oracle in den letzten beiden Jahren um 19 Milliarden Dollar Hersteller von Business-Software aufgekauft.
"Customer Relationship Management"
Es handelt sich dabei um so genannte Software-Suites, die von Lagerverwaltung über Transportlogistik bis zum Bestell- und Abrechnungsmechanismus die wichtigsten Geschäftsvorgänge in einer Firma vernetzen.
Diese so genannten CRM-Systeme [Customer Relationship Management Systems] haben zwar einen Anteil an Servern für Datenbanken, Storage bzw. Middleware, laufen aber auch auf den gewöhnlichen Rechnern, wie sie in großen Mengen in jedem Unternehmen stehen.
Hier würde ein einheitliches Betriebssystem, für das nicht einmal Lizenzgebühren anfallen, naürlich sehr viel Sinn ergeben: vereinfachte Wartung der Systeme und sinkende Entwicklungskosten
Die Übernahme von JBoss
Erst vor einer Woche hatte Red Hat wiederum sowohl Oracle wie auch Novell die Open-Source-Entwicklungsfirma JBoss vor der Nase weggekauft.
Diese Firma entwickelt so genannte Middleware für Unternehmenslösungen, das heißt auf Basis einer freien Linux-Lizenz werden da alle möglichen bestehenden Systeme in einer Firma zur Zusammenarbeit gebracht.
Dass so hoch spezialisierte Software noch dazu für den Unternehmensbereich kostenlos weitergegeben wird, musste einen Anbieter von hoch profitabler Unternehmens-Software wie Oracle natürlich auf den Plan rufen.
"Linux ist zu fett geworden"
Oracle hatte sich schon frühzeitig, nämlich 1998, dafür entschieden, seine Datenbanken auch auf die Linux-Plattform zu portieren. In die Entwicklung der Open-Source-Software hatte man sich allerdings kaum eingemischt, sondern begnügte sich, die Distributionen Red Hat und Suse Linux von Novell zu unterstützen.
Ganz offensichtlich ist Ellison mit der aktuellen Linux-Entwicklung ebensowenig zufrieden wie der Gründer des Massachussetts Institute of Technology, Nicholas Negroponte.
Der hatte zuletzt scharfe Kritik am aktuellen Status der Linux-Distributionen geübt. "Linux ist zu fett geworden", so der Kommentar. Ähnlich wie Windows schleppe das freie Betriebssystem zu viel ungenutzten Code mit sich herum, sagte Negroponte.
In der Tat wurden die Linux-Distributionen von Suse bis Red Hat in den letzten Jahren so umfangreich bzw. aufgeblasen, dass sie längst nicht mehr mit einer DVD das Auslangen finden.